Text für das Stadtblatt zum „Jugendgemeinderat“

Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger,auf der letzten Sitzung des Jugendhilfeausschusses haben die Jusos ein Jugendforum und die Grünen einen Jugendgemeinderat vorgeschlagen.Beide sollen nach den Willen der Befürworter mit 14 bis 18jährigen besetzt sein und mit einem eigenen Etat von 10.000 Mark ausgestattet werden.

Innerhalb des Jugendforums oder -gemeinderates können dann minderjährige Jugendliche Themen wie Radwege, Haushalt, Energieeinsparung, Fremdenfeindlichkeit oder Schulentwicklungsplan diskutieren. Dazu braucht es viel Papier, Zeit und Aufwand und einen zehnköpfigen Vorstand. Und was kommt am Ende dabei heraus? Nichts! Denn es wird überhaupt keine Entscheidungskompetenz für das Jugendforum geben. Warum sollten wird dann ein Jugendforum oder einen Jugendgemeinderat einrichten? Die Frage ist schnell beantwortet: Die rot-grüne Rathausmehrheit sucht nach einer Möglichkeit, sich eine weitere Stimme für ihren Öko-Chor zu verschaffen. Mit plakativen Formeln und bunter Politik will sie den Jugendlichen die realen gesellschaftlichen Probleme vorenthalten und sie zur Unterstützung ihrer eigenen Vorhaben instrumentalisieren. Ebenso wie die Zukunftswerkstätten wird das Jugendforum Stellungnahmen abgeben dürfen. Wenn sie mit den Vorhaben der Stadt übereinstimmen, werden ihre Voten überall publiziert werden. Laufen die Stellungnahmen der Jugendlichen den Interessen der Stadt zuwider, dann werden sie ignoriert. Dafür sind uns die jungen Menschen zu schade. Die Stadt wäre sicherlich besser beraten, wenn sie die 10.000 Mark jährlich zur Lösung von Jugendproblemen verwenden würde, statt damit neue zu schaffen. Denn Jugendforum oder ein Jugendgemeiderat produzieren – so wollen es die Konzepte der Jusos und der Grünen – nur neues Papier und heiße Luft. Und davon haben wir in Heidelberg bereits mehr als genug.

Jugendliche wollen ernst genommen werden

Wir erweisen den jungen Menschen keinen Gefallen, wenn wir sie im politischen Sandkasten mit rot-grünen Förmchen spielen lassen, ohne daß sie sich mit der Realität auseinandersetzen können. Junge Menschen wollen ernst genommen werden. Sie brauchen keinen virtuellen Gemeinderat, sondern eine realistische Perspektive und eine reale Anerkennung ihrer Leistungen.

Perspektive und Anerkennung finden Jugendliche schon heute in den Kirchen, in caritativen Einrichtungen, in Vereinen, in Interessengruppen und in den Jugendorganisationen der Parteien. Dort können sie sich ausprobieren, messen und den Umgang mit anderen erlernen.

Dazu gehört natürlich auch, daß sie bereit sind, Verantwortung für sich und andere zu übernehmen. Jugendliche, die diese Bereitschaft erkennen lassen, finden überall schnell Anerkennung und Unterstützung. Sie können bei vielen Gelegenheiten ihre Meinung vertreten und das Zusammenspiel der Generationen auf ihre Weise beeinflussen. Dort können sie das Ringen um Positionen hautnah miterleben und können durch ihre Arbeit wichtige Erfahrungen sammeln. Hier müssen wir den Jugendlichen stärker zeigen, daß sie wirklich etwas bewegen. Was wir alle brauchen, das ist nicht nur der Dialog unter Jugendlichen alleine. Wir brauchen den Dialog zwischen den Generationen. Denn warum sollte es für Jugendliche wichtiger sein, über Straßenbahnen und Fahrradwege zu diskutieren als für die reifere Generation? Oder brauchen wir dann nicht auch einen Seniorenrat, Nichtraucher oder Männerrat?

Wer Jugendlichen empfiehlt, sich in einer „Isolierstation“ abzuschotten, macht einen schweren Fehler. Er behindert den Kontakt und das Verständnis unter den Generation. Die Einbindung Jugendlicher in den politischen Entscheidungs- und Willensbildungsprozeß ist eine Herausforderung an uns alle und darf nicht an ein Gremium delegiert werden, das die jungen Menschen im eigenen Saft schmoren läßt. Die Jugendlichen brauchen wir nicht in einem Sandkastenparlament, wir brauchen sie hier und jetzt, um unsere Stadt und unser Land voran zu bringen.

Es grüßt Sie herzlichst

Werner Pfisterer

Stellvertretender Fraktionsvorsitzender und Landtagsabgeordneter

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