Keine Mark für das AZ (Stadtblatt)

Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, der Gemeinderat hat sich in seiner letzten Sitzung zu vorgerückter Stunde wieder einmal mit dem Autonomen Zentrum (AZ) befassen müssen. Beratungsgrundlage war eine sogenannte „Informationsvorlage“ der Stadtverwaltung unter der Überschrift: „Räumlichkeiten für die offene Jugendarbeit im Bahnausbesserungswerk Ochsenkopf: Anmietung, Renovierungsarbeiten“.


In der Vorlage wird dargelegt, daß die Bundesbahn bereit ist, einen Teil des alten Bahnbetriebswerkes an die Stadt für die Benutzung durch das AZ zu vermieten. Nach dieser außergewöhnlich detaillierten Vorlage entstehen hierdurch in fünf Jahren Kosten für die Stadt in Höhe von 867.300 Mark (!), was einer monatlichen Belastung von 14.455 Mark entspricht.

Um es auf den Punkt zu bringen, liebe Leserinnen und Leser: damit sind Ihre Steuergelder gemeint!

Zwar hat die Oberbürgermeisterin betont, daß diese Vorlage (noch) keinen Vorschlag der Verwaltung darstellt. Aus den Umständen ergibt sich aber eindeutig, daß die OB und leider auch die Mehrheit des Gemeinderates – gegen die CDU – wild entschlossen sind, das AZ am Ochsenkopf unterzubringen.

Jugendarbeit ohne Ziel

Von „offener Jugendarbeit“ ist die Rede. Offen ist, was im AZ unter Jugendarbeit zu verstehen ist. Ich sehe keinen konstruktiven Ansatz für Jugendarbeit. Im Gegenteil: Hier lernen bereits Jugendliche, den Staat für ihre Zwecke in Anspruch zu nehmen und ihre Phantasien auf Kosten der Allgemeinheit zu realisieren. Ein Konzept der Stadt zur „offenen Jugendarbeit“ im AZ gibt es gar nicht!

Woher kommt das Geld?

Wer in solchem Umfang Steuergelder ausgeben will, der braucht schon eine sehr gute Rechtfertigung. Gerade der Erste Bürgermeister Prof. Dr. Schultis muß sich dann fragen lassen, wie er gegenüber der örtlichen Presse behaupten kann, eine Stadt wie Heidelberg brauche ein AZ. Prof. Dr. Schultis hat in den vergangenen Jahren immer wieder darüber geklagt, daß für die Bauunterhaltung zuwenig Geld da sei. Und nun will er aus eben diesem engen Etat noch über 800.000 Mark abtreten. Diese 800.000 Mark werden fehlen bei der Instandhaltung von Schulen, öffentlichen Gebäuden und Straßen. Und wer sich in den Heidelberger Schulen regelmäßig umschaut, weiß um die Dringlichkeit so mancher Maßnahme, die aus Geldmangel bisher schon aufgeschoben wurde. Das wäre eine sinnvolle Jugendarbeit!

Fakten statt Floskeln

Die jahrelangen Erfahrungen mit dem AZ zeigen doch, welche Art von „offener Jugendarbeit“ hier geleistet wird: Wie das baden-württembergische Innenministerium mir in diesen Tagen auf Anfrage mitteilte, überschreiten alleine die Kosten für Polizeieinsätze in Verbindung mit dem AZ seit Januar 1998 deutlich die Millionen-Schallmauer.

Ganz oben auf der „Hitliste“ der teuersten Polizeieinsätze liegt die Demonstration des AZ anläßlich der Kündigung und der Forderung nach einem adäquaten Ersatzobjekt vom Februar 1999 in Heidelberg. Etwa 1,15 Millionen Mark kostete der Einsatz der 1.150 Polizeibeamten. Dieser war nötig, nachdem der OB-Kandidaten vom AZ massive Drohungen in einer öffentlichen Gemeinderatssitzung ausgestoßen hatte. Auf Platz zwei rangiert der Polizeieinsatz während der Maifeier des AZ im Jahr 1998, dessen Kosten mit 174.930 Mark beziffert werden. Die polizeiliche Absicherung der Räumung des AZ zwischen dem 29. Januar und dem 1. Februar schlug mit etwa 135.000 Mark zu Buche. Zu den reinen Polizeikosten kamen bei der Räumung des AZ noch beträchtliche Sachschäden. Anzeige gegen Unbekannt wurde erstattet, die Täter konnten jedoch nicht ermittelt werden.

Insgesamt, haben alleine die Polizeieinsätze im Zusammenhang mit dem AZ vom Januar 1998 bis zum 7. Februar 1999 das Land Baden-Württemberg fast 1,5 Millionen Mark gekostet. Eingesetzt waren dabei 2.372 Beamte, die über 20.202 Stunden Dienst leisteten.

Nur weil die Stadt und die Deutsche Bahn AG auf Strafanzeigen verzichteten, blieben die „Besetzungen“ verschiedener Gebäude in der Stadt straffrei.

Offene Jugendarbeit Marke „AZ“, das sind auch Rechtsbrüche und Drohgebärden, die sich eine Demokratie nicht bieten lassen darf. Sieht so eine von der Stadt bevorzugte Jugendarbeit aus? Braucht eine Stadt wie Heidelberg tatsächlich staatlich anerkannte Haus- und Straßenbesetzer? Brauchen wir autonome Kneipiers und Feten-Organisatoren?

Ich denke, ich brauche die Antwort nicht zu geben, sie liegt auf der Hand. Das sehen leider nicht alle Stadträte so: Besonders hervorgetan hat sich die einzige Vertreterin der FDP im Gemeinderat, die uns doch tatsächlich vorgeworfen hat, wir würden harmlose, nette junge Menschen in unchristlicher Weise ausgrenzen…

Der Spuk ist vorbei, warum also ein neues AZ?

Diese Kosten sind in der Vergangenheit nur deshalb entstanden, weil die Heidelberger OB keine ausreichend klare Haltung gegen den vom AZ ausgehenden fortgesetzten Rechtsbruch einnehmen wollte. Mit der Diskussion um eine neue Bleibe für das AZ sorgt sie dafür, daß das jetzt gelöste Problem erneut entstehen soll. Wer denkt eigentlich an die Heidelberger Polizei, die sich dann zukünftig wieder mit den „handfesten“ Problemen dieser autonomen Trutzburg auseinander setzen muß? Als Leiterin der Ortspolizeibehörde in Heidelberg ist sie eigentlich den Beamten verpflichtet und nicht den Autonomen. Die Menschen in Heidelberg haben mit Erleichterung zur Kenntnis genommen, daß es kein AZ mehr gibt. Mit Angst denken noch heute manche Geschäftsleute der Hauptstraße an die Demonstration vom Februar, wo sie teilweise massiv bedroht wurden. Sie wollen auch kein neues Domizil für das AZ, das mit städtischen Steuergeldern finanziert wird und von dem möglicherweise künftig wieder Rechtsbruch und Gewalt ausgehen können.

Die CDU-Fraktion hat schon im Vorfeld der Gemeinderatssitzung deutlich gemacht, daß wir allen Diskussionen um eine neue Bleibe für das AZ eine klare Absage erteilen. Wir hatten daher im Gemeinderat einen Antrag gestellt, der es der Verwaltung untersagt hätte, dem AZ Räume zur Verfügung zu stellen.

Sie sind der Souverän!

Die Vorlage wurde mit unserem Antrag in die Ausschüsse verwiesen, wo sie in den kommenden Wochen beraten wird. Und eines kann ich Ihnen an dieser Stelle versprechen: Die CDU ist gegen jede Mark sein, die für ein AZ ausgegeben werden soll.

Es grüßt Sie herzlichst

Ihr Werner Pfisterer

Stellv. Vorsitzender der CDU Gemeinderatsfraktion und Landtagsabgeordneter

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