Abzug der US-Streitkräfte / Auswirkungen auf die betroffenen baden-württembergischen Städte

Am 5. Juli 2010 hat der Heidelberger Landtagsabgeordnete Werner Pfisterer eine Kleine Anfrage an die baden-württembergische Landesregierung gestellt. Im Mittelpunkt dieser Anfrage stehen die Auswirkungen des Abzugs der US-Streitkräfte auf die betroffenen baden-württembergischen Städte, insbesondere auf die Stadt Heidelberg. Pfisterer führte als Begründung für seine Anfrage Folgendes aus: „Der angekündigte Abzug der US-Streitkräfte aus Heidelberg wird unter anderem große finanzielle und wirtschaftliche Auswirkungen haben. Die Stadt Heidelberg erhält für die Präsenz der US-Soldaten vom Land Baden-Württemberg beispielsweise rund 7,5 Millionen Euro.


Die Anfrage soll daher unter anderem klären, welche finanziellen und wirtschaftlichen Einbußen die Stadt Heidelberg zu erwarten hat und wie das Land Baden-Württemberg die Stadt Heidelberg, die weiteren betroffenen Kommunen und die deutschen Zivilangestellten unterstützen kann. Heidelberg als ältester Standort der US-Army in Europa ist darüber hinaus auch in besonderer Weise vom Abzug der US-Army betroffen, denn die Soldaten der US-Army, ihre Angehörigen und die amerikanischen Zivilangestellten, die stets in Heidelberg herzlich willkommen waren und sind und auch das Heidelberger Stadtbild mitprägen, haben den Namen „Heidelberg“ in die ganze Welt hinausgetragen. Auch der kulturelle Austausch wird durch den Abzug betroffen sein.“

Das Innenministerium Baden-Württemberg beantworte die Kleine Anfrage im Einvernehmen mit dem Staatsministerium, dem Finanzministerium, dem Wirtschaftsministerium und dem Sozialministerium wie folgt:

1. Wie beurteilt sie die Ankündigungen der US Army, bis zum Jahre 2015 unter anderem die Standorte Heidelberg, Mannheim und Schwetzingen komplett zu schließen?

Zu 1.: Die Landesregierung bedauert, dass ungeachtet der jahrelangen Bemühungen der Städte, der Region und des Landes, die USA vom Verbleib ihrer Soldaten an den Standorten Heidelberg, Mannheim und Schwetzingen zu überzeugen, die Entscheidung über die Schließung dieser Standorte gefallen ist. Seit Bekanntwerden der Verlegungsabsichten im Jahr 2004 hatten Mitglieder der Landesregierung auf hochrangiger Ebene eine Vielzahl von Gesprächen mit verantwortlichen US-Stellen über die Erhaltung der Standorte in Baden-Württemberg geführt. Zuletzt traf Ministerpräsident Mappus am 28. Juni 2010 mit dem Kommandeur der USLandstreitkräfte in Europa, General Carter F. Ham, zusammen, und bat ihn, für die vom Abzug betroffenen zivilen Mitarbeiter sozialverträgliche Lösungen zu finden und die weiteren Umsetzungsschritte eng mit den betroffenen Kommunen abzustimmen. Letztlich jedoch muss hingenommen werden, dass allein die US-Regierung bezüglich der Verlegung von Truppenteilen der US-Armee das letzte Wort hat.

2. Welche Auswirkungen hat nach ihrer Ansicht der Abzug der US-Streitkräfte auf die betroffenen Kommunen, insbesondere auf die Stadt Heidelberg gerade auch bezüglich der Finanzen, der Wirtschaft, des Arbeits- und Immobilienmarktes?

Zu 2.: Die finanziellen Auswirkungen des Abzugs der US-Streitkräfte auf die betroffenen Kommunen und damit auch auf die Stadt Heidelberg lassen sich derzeit nicht abschätzen. Der Abzug der US-Streitkräfte eröffnet diesem Raum aber auch neue Perspektiven für die weitere wirtschaftliche Entwicklung und damit auf längere Sicht unter Umständen positive Auswirkungen auf die Kommunalfinanzen. Im Rahmen des kommunalen Finanzausgleichs führen allerdings zurückgehende Einwohnerzahlen zunächst zu geringeren Schlüsselzuweisungen. Der Wegzug der Streitkräfte und der nicht meldepflichtigen Familienangehörigen führt zu geringeren Finanzzuweisungen an die betroffenen Kommunen. Bei einem vollständigen Wegzug beliefen sich die Auswirkungen im Finanzausgleich z.B. für die Stadt Heidelberg auf 5 bis 6 Mio. Euro/Jahr. Da die Mitglieder der Stationierungsstreitkräfte und ihrer Familienangehörigen im kommunalen Finanzausgleich jedoch bereits heute unter Zugrundelegung eines Drei-Jahres-Durchschnitts berücksichtigt werden, können die Folgen des Abzugs der Streitkräfte finanziell abgefedert und zeitlich gestreckt werden. Die wirtschaftlichen Auswirkungen des Truppenabzugs sind aufgrund der regional verflochtenen Wirtschaftskreisläufe nicht auf die Standortkommune Heidelberg beschränkt, sondern reichen darüber hinaus. Da weder Art noch wertmäßiger Umfang der Dienstleistungs- und Zulieferbeziehungen zu den stationierten US-Truppen bekannt sind, können die regionalwirtschaftlichen Effekte derzeit nicht näher bestimmt werden. Bei der Beurteilung der Konversionswirkungen ist grundsätzlich zu beachten, dass die betroffenen Standortkommunen im Kernraum der wirtschaftlich leistungsfähigen, strukturstarken und funktional eng verflochtenen Region Rhein-Neckar liegen, so dass vorbehaltlich der weiteren Konkretisierung der Datenlage davon auszugehen ist, dass die regionalwirtschaftlichen Folgen des Truppenabzugs ohne gravierende Einbrüche bewältigt und die wegfallende Nachfrage mittelfristig angemessen kompensiert werden können. Zu den Auswirkungen der Truppenabzuges auf den Arbeitsmarkt der Region wird auf die Antwort zu Frage 4 verwiesen. Durch den Abzug der US-Streitkräfte werden auch in der Standortkommune Heidelberg bislang militärisch genutzte Liegenschaften frei. Die Nachnutzung solcher Flächen, Gebäude und Wohnsiedlungen kann je nach Lage des Areals, möglichen Altlasten und Gebäudezustand grundsätzlich zu Konversionsproblemen im Einzelfall führen. Insgesamt kann die Folgenutzung der frei werdenden US-Liegenschaften aber auch Chancen für die städtebauliche Entwicklung und Entwicklungspotenziale für neue Wohnquartiere und Gewerbegebiete, für Freiflächen und Naherholung sowie eventuell auch für größere Infrastruktureinrichtungen bieten, zumal Heidelberg im Kernraum der Metropolregion Rhein-Neckar liegt und aufgrund der hohen Siedlungsdichte nur über begrenzte Flächenpotenziale für Gewerbe, Dienstleistungen und Wohnen verfügt. Die Folgenutzung der US-Areale kann auch dazu beitragen, den Wohnungsmarkt zu entlasten und wohnungsmarktbedingte Wegzüge zu verringern.

3. In welchem Rahmen kann sie die Stadt Heidelberg bis zum Abzug der US-Streitkräfte und auch darüber hinaus unterstützen?

Zu 3.: Die Städtebauförderung von Bund und Land eröffnet den konversionsbetroffenen Städten und Gemeinden die finanziellen Möglichkeiten, umfassende Planungs- und Nutzungsvorstellungen zu entwickeln, die auf die jeweilige Region zugeschnitten und auf die aktuellen wirtschaftlichen Entwicklungschancen abgestimmt sind. Die Konversion militärischer Liegenschaften erfolgt im Rahmen der kommunalen Selbstverwaltung und der kommunalen Planungshoheit. Nach Maßgabe der finanziellen und rechtlichen Voraussetzungen können die betroffenen Städte und Gemeinden bei der Bewältigung der baulichen Umstrukturierung von aufgegebenen militärischen Liegenschaften bei städtebaulichen Erneuerungsmaßnahmen durch die Städtebauförderung wirksam unterstützt werden. Das Wirtschaftsministerium wird entsprechenden Anträgen der betroffenen Städte, darunter auch der Stadt Heidelberg, nach Freiwerden der Liegenschaften bei der Gesamtschau aller Anträge einen Fördervorrang einräumen. Um den Städten eine geordnete Stadtentwicklung zu ermöglichen, ist es erforderlich, dass die US-Streitkräfte die Umsetzung der Stationierungsentscheidung in enger Abstimmung mit den Kommunen vornehmen.

4. Wie viele deutsche Zivilangestellte sind aktuell bei der US Army beschäftigt? Welche Möglichkeiten sieht sie, um den Zivilangestellten zur Seite zu stehen?

Zu 4.: Nach Kenntnis der Landesregierung beschäftigen die US-Streitkräfte in Baden- Württemberg 2.345 zivile Arbeitnehmer nach deutschem Recht, davon 1.702 an den Standorten Mannheim, Heidelberg und Schwetzingen (Stand 30. Juni 2010). Aus dem Tarifvertrag vom 31. August 1971 zur sozialen Absicherung der Arbeitnehmer bei den Stationierungsstreitkräften im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ergeben sich zunächst unmittelbare Pflichten des Bundes. Nach § 3 des Tarifvertrags wird die Bundesregierung bemüht sein, für die bevorzugte Einstellung entlassener deutscher Arbeitnehmer in den Bundesdienst Sorge zu tragen. Das gilt auch für Arbeitnehmer, die am Tage ihrer Entlassung das 40. Lebensjahr noch nicht vollendet haben. Die Bundesregierung wird außerdem darauf hinwirken, dass deutsche Arbeitnehmer im Rahmen der bestehenden Möglichkeiten von anderen Arbeitgebern des öffentlichen Dienstes bevorzugt berücksichtigt werden. Die US-Armee wird nach eigenem Bekunden die berechtigten Interessen der deutschen zivilen Mitarbeiter besonders sorgfältig berücksichtigen. Dies hat General Carter F. Ham Herrn Ministerpräsident Mappus anlässlich des gemeinsamen Gesprächs am 28. Juni 2010 zugesagt. Zur Unterstützung der Zivilangestellten kommen zudem die arbeitsmarktpolitischen Möglichkeiten der Bundesagentur für Arbeit in Betracht. Die Agenturen für Arbeit Heidelberg und Mannheim werden gemeinsam mit den Möglichkeiten und Angeboten der Arbeitsförderung die Herausforderungen angehen, die aufgrund des Truppenabzuges entstehen. Damit den betroffenen Zivilangestellten eine erfolgreiche Integration in den Arbeitsmarkt gelingen kann, werden die Agenturen für Arbeit Heidelberg und Mannheim Kontakt mit den zuständigen örtlichen Behörden sowie dem Betriebsrat aufnehmen. Den Absprachen entsprechend werden den Zivilangestellten Gruppeninformationen zu den Themen regionaler Arbeitsmarkt, frühzeitige Integration in Arbeit und zu leistungsrechtlichen Fragen angeboten. Bestandteil dieses Angebot sind frühzeitige Gespräche, um eine berufliche Neuorientierung vorzunehmen.

5. Welche Erkenntnisse hat sie, inwieweit die hessische Landesregierung und die rheinland- pfälzische Landesregierung der US Army durch die Zusage von finanziellen Hilfen bei einer Verlagerung der US-Streitkräfte in das jeweilige Bundesland entgegenkamen?

Zu 5.: Der Landesregierung sind keine Zusagen finanzieller Hilfen im Zusammenhang mit der Verlagerung der US-Streitkräfte durch die hessische oder rheinland-pfälzische Landesregierung bekannt.

6. Wie könnte nach ihrer Ansicht der Bund die vom Abzug betroffenen Städte unterstützen? Werden diesbezüglich seitens des Landes Baden-Württemberg Gespräche mit dem Bund geführt?

Zu 6.: Der Bund ist nach eigener Darstellung bestrebt, ehemalige Militärliegenschaften in partnerschaftlicher Zusammenarbeit mit den Kommunen und Investoren so schnell wie möglich einer zivilen Anschlussnutzung zuzuführen. Dabei verfügten die Kommunen auf Grund ihrer Planungshoheit über das wesentliche Instrument zur Steuerung der Umnutzungsplanungen. Als Planungsträger obliege es ihnen selbst oder mit Unterstützung des Bundes, der Länder und von Investoren, Nutzungsvorstellungen zu entwickeln und in Planungsrecht umzusetzen, das die Entwicklungsmöglichkeiten ihrer Region einbeziehe. Das Bundesministerium der Finanzen und das Bundesministerium der Verteidigung haben Mitte November 2004 eine gemeinsame „Koordinierungsstelle für Konversionsfragen“ (KStK) eingerichtet. Sie ist zentraler Ansprechpartner für Probleme und Anliegen der von Konversionsfolgen betroffenen Länder und Kommunen. Es ist ihre Aufgabe, diese Fälle zu koordinieren und unterstützend zu begleiten. Für das Bundesministerium der Finanzen nimmt die am 1. Januar 2005 gegründete „Bundesanstalt für Immobilienaufgaben“ (BImA) die Aufgaben in der KStK wahr. Sie ist zuständig für die Verwertung der nicht mehr benötigten Immobilien des Bundes. Die BImA ist in der Lage, den Kommunen die relevanten liegenschaftsbezogenen Informationen zur Verfügung stellen, damit Vorüberlegungen für künftige Nutzungen bereits weit vor der Räumung der Standorte einsetzen können. Sie führt erste Gespräche mit den Kommunen und möglichen Investoren zur Anschlussnutzung. Die BImA fördert auch die Baureifmachung ehemaliger militärisch genutzter Flächen u.a. durch die finanzielle Beteiligung an städteplanerischen Voruntersuchungen bis hin zur Bauleitplanung und beteiligt sich an einzelnen Standortentwicklungsmaßnahmen. Ferner beteiligt sich die BImA an den für die zivile Anschlussnutzung notwendigen Sanierungskosten von Altlasten auf bundeseigenen Liegenschaften. Der Truppenabzug der US-Armee soll in drei Phasen sukzessive bis ins Jahr 2015 erfolgen. Das Land wird sich den daraus ergebenen Fragen über die Konversion der ehemaligen militärischen Liegenschaften frühzeitig annehmen und darauf hinwirken, dass der Bund seiner Verantwortung für die kommunalverträgliche Umwandlung dieser Liegenschaften gerecht wird.

Mit freundlichen Grüßen
gez. Heribert Rech MdL Innenminister

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