Knapp daneben ist auch vorbei (Text für das Stadtblatt)

Hätte Oberbürgermeisterin Beate Weber am 23. Januar zum Tagesordnungspunkt 03.00 der Sondersitzung des Heidelberger Gemeinderates nicht selbst die Hand gehoben; die Stadt hätte keine Stellungnahme zum Planfeststellungsverfahren für die Straßenbahn nach Kirchheim abgegeben.


Das wäre zwar nicht das Ende der Schienenstrecke gewesen, aber ein deutliches Signal an das Regierungspräsidium in Karlsruhe, dass die HSB ihre Hausaufgaben nicht gemacht hat. Mit 21 gegen 20 Stimmen wurde ein Projekt weitergeführt, das immer wieder mit der denkbar knappsten Mehrheit durch den Gemeinderat ging. Mit ihrem Abstimmungsverhalten verstieß die OB gegen ihren eigenen Grundsatz. Denn sie selbst betonte, wie wichtig eine breite Mehrheit im Gemeinderat für weit reichende Verkehrsprojekte sei. Vergessen hat sie ihre eigenen Worte. Offensichtlich sind ihr die von zahlreichen Bürgern vorgetragenen Bedenken und Einwände gegen die Linie 6 nicht wichtig genug.

Die CDU-Gemeinderatsfraktion hatte zuvor mit einem Antrag deutlich gemacht, dass im Streckenverlauf viele ungelöste Probleme „schlummern“. Die Mehrheit aus SPD, GAL, PDS, FWV und Frau Dr. Trabold war da anderer Meinung und hat die städtische Vorlage mit geringfügigen Ergänzungen und Änderungswünschen passieren lassen. Da bleiben nicht nur massive Bauchschmerzen zurück, wenn man an die Einzelhändler und Mittelständler entlang der Strecke denkt, die eventuell ihre Existenzgrundlage verlieren werden.

Jetzt wird das Regierungspräsidium entscheiden, ob und wie die HSB das 28-Millionen-Projekt bauen darf. Viele Betroffene werden dann von ihrem Recht Gebrauch machen, gegen das Projekt zu klagen, was den Baubeginn empfindlich verzögern wird. Einen ersten Spatenstich im nächsten Jahr, wie die Oberbürgermeisterin ihn prophezeit, wird es also eher nicht geben. Statt dessen wird der Streit über Sinn oder Unsinn der Trasse noch über Jahre hinziehen – und auch die nächste Kommunalwahl im Juli 2004 dominieren.

Und so bleibt der Bauchschmerz über eine unbekömmliche Entscheidung wohl bis nach der Kommunalwahl 2004. Dann haben nicht nur die Kirchheimer Bürgerinnen und Bürger die Möglichkeit, mit ihrer Stimme die städtische Verdauungsorgane wieder von Unverdaulichem zu befreien. Die CDU wird in ihrem Wahlprogramm sicher ein geeignetes Präparat anbieten, um das Kirchheimer Zentrum frei von einer Straßenbahn zu halten – schließlich ist Kirchheim auch heute schon mit dem öffentlichen Nahverkehr bestens erschlossen und ab Dezember noch mit der S-Bahn angebunden. Und wenn die HSB es wollte, könnten die Linien 41 und 42 bereits morgen die sieben Minuten schneller zum Bismarckplatz fahren, wenn diese nicht den Umweg über den Hauptbahnhof nehmen müssten. Aber dann gäbe es ja noch weniger Gründe für eine Straßenbahn durch die Schwetzinger Straße …

Werner Pfisterer, MdL

Stadtrat und Stellv. Fraktionsvorsitzender

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