Straßenbahn nach Kirchheim (Stadtblatt)

Liebe Heidelbergerinnen und Heidelberger, am Donnerstag dieser Woche entscheidet der Heidelberger Gemeinderat erneut über die Straßenbahn nach Kirchheim. Eine Vorentscheidung wurde am Donnerstag vergangener Woche mit den Stimmen von SPD und Grünen – gegen die Stimmen der CDU, der Heidelberger und der Freien Wählervereinigung – zugunsten der Straßenbahn bereits getroffen.

Das wird den Stadtteil Kirchheim einem gewaltigen Wandel unterwerfen. Denn die geplante Straßenbahntrasse wird viele Gewerbetreibende und Unternehmen entlang der Strecke schwer belasten oder gar ins wirtschaftliche Abseits katapultieren. Das habe ich zuletzt im Rahmen von mehreren Besuchen, Terminen und Begehungen im Stadtteil erfahren.

Unternehmen bleiben „auf der Strecke“

Opfer wird es bereits auf der Strecke nach Kirchheim geben. In der Carl-Benz- und in der Hebelstraße sind die Firmen Wohnwagen Wenk, Fahrzeugbau Link und der Mediamarkt erheblich von den Veränderungen betroffen.
Am deutlichsten lassen sich die Probleme an der 90 Jahre alten Heidelberger Heidelberger Metallwaren- und Maschinenfabrik Autz & Herrmann beschreiben. Das Unternehmen mit seinen über 200 Beschäftigten wird unter gravierenden Beeinträchtigungen zu leiden haben, weil die Straßenbahnstrecke nach der derzeitigen Planung in Mittellage der Carl-Benz-Straße auf erhöhtem Gleiskörper verlegt und so die Anlieferung durch die täglich ca. 14 LKWs beinahe unmöglich gemacht wird. Der Wegfall der Parkplätze und des Stauraums für Anlieferungsverkehr wird den geordneten Betriebsablauf im Unternehmen erheblich stören. Für ein Unternehmen, das zahlreiche Zulieferteile für die just-in-time-Fertigung anderer Unternehmen produziert, haben Verspätungen bei der Lieferung fatale Konsequenzen.

Anhand dieses Beispiels wird besonders deutlich, wie schnell unüberlegte Eingriffe in gewachsene Strukturen zu empfindlichen Störungen führen können. Auch die anderen Anlieger haben bereits gewichtige Bedenken geäußert, doch scheinbar wollen SPD und Grüne sie nicht gehört haben.

Bahn zerstört gewachsenen Ort

Noch massiver werden die Störungen dann im eigentlichen Ortskern von Kirchheim, in der Schwetzinger Straße. Bei zahlreichen vor-Ort-Terminen habe ich die berechtigen Klagen Kirchheimer Unternehmern und Einzelhändler gehört. Diese Klagen sind zwar gegenüber der Stadt und dem Gemeinderat vorgetragen und am sogenannten „Runden Tisch“ ebenfalls eingebracht worden, sind aber ohne greifbares Ergebnis geblieben. Zahlreiche Betriebe sind bereits in den vergangenen beiden Jahren immer wieder an die Tffentlichkeit gegangen, ihre Einwendungen wurden aber von der Stadt nicht ausreichend berücksichtigt.
Da wundert es den Kenner der Materie wenig, wenn der Widerstand gegen das Straßenbahn-Vorzeigeprojekt der Stadt beständig zunimmt. Die Veranstaltungen der letzten Tage zu diesem Thema waren so gut besucht wie nie zuvor.

Gerade die bereits jetzt unter starkem Konkurrenzdruck stehenden mittelständischen Unternehmen noch mit zusätzlichen Lasten zu drangsalieren heißt, Kirchheim und Heidelberg nicht nur diese Unternehmen, sondern auch Einkaufsmöglichkeiten und Arbeitsplätze zu nehmen.
Die Zukunft mit Straßenbahn wird Kirchheim nachhaltig verändern: Das Ende vom Lied wird sein, daß ein über die Jahrhunderte gewachsenes – einstmals dörfliches – Zentrum verödet. Einkaufsmöglichkeiten werden entfallen, mittelständische Gewerbebetriebe müssen umsiedeln. Dadurch wird die enge Verbindung von Wohnen, Arbeiten und Einkaufen in Kirchheim zerstört, eine Struktur, die den Charakter Kirchheims ausmacht und sich über viele Generationen bewährt hat – auch ohne Runde Tische und Zukunftswerkstätten.

OB beim Wort nehmen

Gerade eine Oberbürgermeisterin, die so gerne von „dezentralen Strukturen“ und „wohnortnahem Einkaufen“ spricht, ist hier an ihren eigenen Ansprüchen zu messen. Ich sehe mit der Straßenbahn mehr Autoverkehr durch Kirchheim rollen, nicht weniger. Denn wer zahlreiche Erledigungen machen will, der ist zukünftig wohl darauf angewiesen, die Einkaufszentren am Rande der Stadt aufzusuchen, weil die Einzelhändler in der Schwetzinger Straße in Existenzschwierigkeiten gebracht werden.

Mehr Bürgerbeteiligung hat sich die OB auf die Fahnen geschrieben. Tatsächlich hat man aber den Eindruck, Frau Oberbürgermeisterin hört nur die Bürger, die ihrer Meinung sind. Würden die Interessen der Kirchheimer eine Rolle spielen, die Kirchheimer Tram wäre längst von der Tagesordnung des Gemeinderates verschwunden.

Wenn die Straßenbahn aber erst einmal gebaut wird, gibt es kein Zurück mehr. Dann wird das Sterben des Mittelstandes beginnen und erst enden, wenn auch dem Letzten die Luft ausgegangen ist. Noch gibt es eine Umkehr, bevor mit einer großen städtischen Millionen-Investition viele Millionen-Investitionen privater Unternehmen zerstört werden.

Umkehr noch möglich

Die CDU-Gemeinderatsfraktion lehnt deshalb die Straßenbahn nach Kirchheim ebenso ab wie die geplante Fußgängerzone in der Schwetzinger Straße. Sie soll auf Antrag der CDU-Fraktion durch einen verkehrsberuhigten Bereich ohne Straßenbahn aber mit Parkplätzen ersetzt werden. Damit wäre den Händlern, den Einkäufern und den Fußgängern gleichermaßen gedient und der Durchgangsverkehr aus dem Kirchheimer Zentrum verbannt.

Noch ist es für eine Umkehr nicht zu spät: Am Donnerstag wird der Gemeinderat über die Zukunft Kirchheims entscheiden. Ich kann der Oberbürgermeisterin nur raten, die Straßenbahn zur Chef-Sache zu machen und selbst einmal mit allen betroffenen Unternehmern und Arbeitnehmern entlang der geplanten Trasse zu sprechen. Dann wird sie vor Ort spüren, wieviele Existenzen die Strecke akut bedroht.

An meine Stadtratskollegen vor allem in der SPD und bei den Grünen appelliere ich, bei der Abstimmung doch einmal die Interessen der Bürgerinnen und Bürger abzuwägen und nicht die Interessen der Partei. Dann kann die Entscheidung nur heißen:

NEIN ZUR STRASSENBAHN NACH KIRCHHEIM!

Es grüßt Sie herzlichst

Ihr Werner Pfisterer

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