Gedenkveranstaltung für Lothar Späth

Bildung als Schlüssel zur Digitalisierung

Wie können Politik und Wirtschaft mit der schnell voranschreitenden Digitalisierung Schritt halten? Und wo setzen Lothar Späths wegweisende Denkansätze hin zu einer digitalisierten Welt noch heute an? Im Mittelpunkt der Podiumsdiskussion zur Gedenkveranstaltung für Prof. Dr. h.c. Lothar Späth, ehemaliger Ministerpräsident Baden-Württembergs und Mitinitiator des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW), am 21. März 2017 standen Möglichkeiten und Herausforderungen eines rasanten Wandels für und an Unternehmen, Institutionen und Gesellschaft.

Späth beschäftigte sich früh mit der politischen und wirtschaftlichen Weichenstellung für den technologischen Wandel. Zu Ehren seines visionären Gedankenguts debattierten Winfried Kretschmann, Ministerpräsident des Landes Baden-Württemberg, Günther H. Oettinger, EU-Kommissar für Haushalt und Personal, Dr. Herbert Henzler, ehemaliger Deutschland-Chef der Unternehmensberatungsgesellschaft McKinsey, Dr. E.h. Martin Herrenknecht, Vorstandsvorsitzender der Herrenknecht AG, und Prof. Dr. Irene Bertschek, Leiterin des ZEW-Forschungsbereichs „Informations- und Kommunikationstechnologien“. Moderiert wurde die Diskussionsrunde von ZEW-Präsident Achim Wambach, Ph.D.

Zu Beginn warf der ZEW-Präsident die Frage in die Runde, wie die Wirtschaft in Baden-Württemberg digital aufgestellt sei. Als Antwort plädierte Ministerpräsident Kretschmann für eine noch bessere digitale Integration in Unternehmen. „Gerade der Mittelstand in Baden-Württemberg muss den Sprung hin zu einer digitalen Arbeitswelt schaffen“, sagte Kretschmann. Dieser Prozess solle von Seiten der Politik stärker durch Projekte wie Wirtschaft 4.0 unterstützt werden. Irene Bertschek gab zu Bedenken, dass der Mittelstand den Großunternehmen deutlich hinterherhinke, diese seien die „Early Adopters“ neuer Technologien. ZEW-Studien zeigten, dass es drei Faktoren die die Digitalisierung in Unternehmen hemmen würden. „Die Bedenken bezüglich der Datensicherheit und des Datenschutzes, eine unzureichende Breitbandgeschwindigkeit und ein Mangel an IT-Kompetenzen sind die Stellschrauben, an denen wir ansetzen müssen“, forderte Bertschek.

Mittelstand weist digitalen Nachholbedarf auf

EU-Kommissar Oettinger stimmte dem Nachholbedarf zu – wegweisend seien immer noch transatlantische Unternehmen. Nur auf Platz 51 landete das größte europäische Unternehmen in der Rangliste der weltweit führenden Internetgiganten. „Wir brauchen eine Verbundlösung im Mittelstand, um regional und europaweit aufzuholen. Dazu müssen wir Standards im europäischen Binnenmarkt harmonisieren“, sagte Oettinger. Auch Martin Herrenknecht pflichtete bei, dass man heute, wie einst Späth die Internationalisierung baden-württembergischer Unternehmen förderte, mit der Digitalisierung auf globaler Ebene mithalten müsse. „Lothar Späth trieb Wachstum voran und schaffte entsprechend präzise und entscheidende Bedingungen.“

Ganz im Sinne Späths forderte Herbert Henzler mehr Einsatz von Wirtschaft und Politik. „Er würde sagen, wir sind dabei den Anschluss zu verlieren und uns von riesigen Datenmengen überrollen lassen“, so Henzler, „Wir müssen die Brücke nach vorne schlagen und Innovationen kommen sehen. Der Schlüssel zur digitalen Aufholjagd ist Bildung.“ Dafür brauche es eine stärkere Bindung der Fachkräfte in Europa und einen Umschwung hin zu digitalen Wissensplattformen.

„Wir müssen die Digitalisierung disziplinübergreifend fördern“

Sowohl Ministerpräsident Kretschmann als auch EU-Kommissar Oettinger befürworteten eine stärkere Förderung und Gründung von Forschungsverbünden. „Baden-Württembergische Forschungsverbünde müssen attraktive Hot-Spots werden. Gleichzeitig muss der Technologietransfer zwischen Forschung und Wirtschaft erkennbar sein“, so Kretschmann. Hinzukomme, laut Oettinger, die bisher noch geringe Zahl der IT-Spezialisten. „Es ist notwendig, die Digitalisierung in die Gesellschaft zu tragen, angefangen bei Schulen und Familien bis zu Universitäten und Unternehmen“, erklärte der EU-Kommissar.

Herrenknecht setzte dem entgegen, dass es bereits eine sehr gute Verbindung zwischen Wissenschaft und Wirtschaft gebe. „Fachleute brauchen wir nicht nur in der IT, sondern in allen Disziplinen. Wir können die digitale Welt nicht von der realen vollkommen entkoppeln.“ Schlussendlich wies ZEW-Forschungsbereichsleiterin Irene Bertschek darauf hin, dass Unternehmen IT-Weiterbildungsbedarf besonders im Bereich der Datensicherheit sehen. „Dennoch müssen wir Weiterbildung disziplinübergreifend fördern. Nur eine Wissensvernetzung bringt die Digitalisierung in Europa voran.“

Text/Copyright: ZEW / Sabine Elbert / Fotos: Werner Pfisterer

 

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